Neue Plattform für eine bessere gesundheitliche Vorausplanung
Bis anhin wurden in der Schweiz fast 12'000 Todesfälle mit einer Covid-19-Infektion begründet. Die gesundheitliche Vorausplanung mit Fokus auf Situationen, wenn Menschen selbst oder als Angehörigeplötzlich mit lebensbedrohenden Krankheiten oder Krisen konfrontiert werden, erhält eine neue Relevanz. Das Universitäre Zentrum für Palliative Care am Inselspital Bern lanciert nun eine neuartige Plattform – iplan: Interessierte finden alle Informationen an einem Ort samt Links und Broschüren. Die Plattform ist «open source»: Interessierte Fachpersonen, Hausärzte und Kliniken können die Inhalte nutzen oder sie für eigene Belange adaptieren. Fachpersonen finden in einem speziellen Bereich Guidelines, Behandlungsalgorithmen für eine optimale Betreuung von Patienten und Angehörigen.
Bern, 28. Dezember 2021 – Prof. Dr. med. Steffen Eychmüller, Leiter des Universitären Zentrums für Palliative Care am Inselspital Bern, weiss aus Erfahrung: «Gesundheitliche Krisensituationen im Leben treffen uns oft unerwartet. Allen gemeinsam ist die Unsicherheit und der Stress, die eine solche Krise bei allen Beteiligten auslöst – verbunden mit Gefühlen der Ohnmacht, und Überforderung. Die Corona-Pandemie hat bei vielen Menschen eine zusätzliche Verunsicherung ausgelöst.» Tatsächlich wurden bereits im Frühling 2020 gemäss eines kürzlich vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Berichts 4000 Krebsoperationen verschoben, um Kapazitäten für Corona-Patienten zu schaffen. Derzeit werden in vielen Spitälern aufgrund der hohen Auslastung erneut Operationen verschoben. Für die Patienten und deren Angehörige bedeuten solche Verschiebungen oft eine grosse psychologische Belastung, Angst und Stress.
iplan kann Triage-Stress entschärfen
Zusammen mit seinem Team und basierend auf international etablierten Empfehlungen und Guidelines hat Eychmüller nun eine neuartige Plattform entwickelt: Auf der Website www.iplan-care.ch finden Interessierte wichtige Hilfen und konkrete Anleitungen. Bei iplan wird die gesundheitliche Vorausplanung gemeinsam von den Betroffenen, deren Angehörigen und den medizinischen Fachpersonen besprochen, die Machbarkeit der gewünschten Vorgehensweisen wird dadurch sichergestellt und vor allem so dokumentiert, dass die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen auch auffindbar und aktuell sind.
Gerade in der jetzigen Pandemie-Phase mit reduziertem Personal, dadurch erhöhtem Stress auch beim Gesundheitspersonal und kritischen Entscheiden innert kürzester Zeit kann iplan Unsicherheiten vermeiden, die Entscheidungsprozesse unterstützen und vor allem sicherstellen, dass die Massnahmen auch den Wünschen der betroffenen Person entsprechen. Dabei richtet sich iplan vor allem an vulnerable Menschen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes mit erhöhter Wahrscheinlichkeit hospitalisiert und/oder operiert werden müssen. Die Vorausplanung zu kennen, ohne Zeitverlust die Wünsche des Patienten kennen und auch umsetzen zu können: das alles kann in solchen kritischen Phasen sehr hilfreich sein. Steffen Eychmüllers umschreibt seinen Wunsch mit dem Satz: «Get the Process started.»
iplan besteht aus vier Bereichen:
- Prognose einschätzen: Wie entwickelt sich die Krankheit? Wäre ich überrascht, wenn...?
- Lebensqualität erfassen: Was ist mir wichtig? Was belastet? Was hilft?
- Aktionsplan besprechen: Wie geht es weiter? Was kann und soll geplant werden?
- Netzwerk informieren: Wer ist zuständig wofür? Wer muss informiert sein?
iplan ist open source und kostenlos
iplan ist ein offenes Projekt. Die Entwicklung wurde ermöglicht dank finanzieller Unterstützung privater Stiftungen. Eychmüller hofft, «dass auch andere Spitalzentren oder Institutionen iplan als Struktur für die vorausschauende Planung übernehmen. Denn die Inhalte gelten überall. Und sie sind nicht auf die Corona-Pandemie beschränkt, sondern sollen grundsätzlich die gesundheitliche Vorausplanung verbessern.»Interessierte finden auf der Website Dokumente zu den vier Bereichen, die heruntergeladen werden können, sowie Links zu relevanten anderen Organisationen. Alle Informationen sind kostenlos. iplan selbst speichert keinerlei Informationen. Fachpersonen können darüber hinaus in einem passwortgeschützten Bereich spezifische Informationen und Tools herunterladen. Dazu gehören auch Leitlinien und Betreuungsalgorithmen, die dazu dienen, die einzelnen Schritte optimal umzusetzen, Prozesse innerhalb der Institutionen zu optimieren und dadurch Notfallentscheidungen und die damit verbundenenStresssituationen zu minimieren. iplan ist keine Konkurrenz zu bereits bestehenden Angeboten in der Schweiz, wie beispielsweise Advance Care Planning, ACP. iplan will die selbstbestimmte Diskussion über die gesundheitliche Vorausplanung fördern und einen Pfad für diese Diskussionen bis hin zu einer Patientenverfügung oder einem Notfallplan definieren, der allen Beteiligten Sicherheit verspricht.
iplan schliesst Lücken
In der Umsetzung der vor zwölf Jahren lancierten Nationalen Strategie Palliative Care bestehen bis heute immer noch erhebliche Lücken, beispielsweise die frühzeitige Erkennung von Patienten in Palliativsituationen. Hier will iplan einen Beitrag leisten, vorausgesetzt die Inhalte werden auch genutzt. MitBlick auch auf die Belastung der Spitalstrukturen während der Corona-Pandemie und dem hohen Druck auf das Spitalpersonal, die Ärzte und Pflegenden ist es zudem zentral, die Vorausplanung zu verbessern, Unsicherheiten und dadurch das Risiko für Fehlentscheidungen zu reduzieren – sowohl bei den Fachpersonen als auch bei den Betroffenen. iplan-care.ch bietet dazu die Informationen, Dokumente und Links.
Palliativmediziner Eychmüller: «iplan soll dazu beitragen, dass die Themen zu ‘was tun wir, wenn’ partnerschaftlich miteinander angegangen werden, sei es im Spital, im Pflegeheim oder in der Hausarztpraxis. Pragmatisch, und im Wissen, dass nicht alles genau vorhersehbar ist. Dafür ist es nie zu früh, aber fast immer zu spät. Genau das lernen und erfahren wir gerade in der aktuellen Corona-Pandemie.»
Kontakt für Medienanfragen
Prof. Dr. med. Steffen Eychmüller
E-Mail steffen.eychmueller@insel.ch
Mobile 079 443 33 31
oder
Max Winiger (Koordination)
E-Mail winiger@next-zurich.ch
Mobile 079 340 42 57
Website: www.iplan-care.ch
Links zu weiteren Informationen:
Universitäres Zentrum für Palliative care im Inselspital Bern:
http://www.palliativzentrum.insel.ch
Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung
https://www.palliative.ch/de/palliative-ch/
Schlussbericht des Büro BASS von 2019:
https://www.plattform-palliativecare.ch/sites/default/files/page/files/Schlussbericht%20zum%20Stand%20der%20Palliative%20Care%20in%20den%20Kantonen%20%282018%29.pdf
Plattform Palliative Care des Bundes:
https://www.plattform-palliativecare.ch
Informationsübersicht des Bundesamtes für Gesundheit zu Palliative Care:
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien/strategie-palliative-care.html
Neuste statistische Informationen zu Covid-19:
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.gnpdetail.2021-0247.html