Die Wand kommt näher. Kommentar Es ist wie in der Bankenwelt: die Hiobsbotschaften reissen nicht ab. Statt die Ursachen zu analysieren und nachhaltig wirksame Lösungen zu entwickeln, suchen Politik und Behörden immer wieder neue vermeintliche Schuldige für die «Kostenexplosion» im Schweizer Gesund­­heitswesen. Seit einigen Jah­ren gehören auch die Ärzt*innen dazu. Obwohl deren Fachkompetenz und die Behandlungsqua­lität ein wesentlicher Grund für die medizinisch hervorragende Versorgung sind, werden Politiker*innen, Behörden und Krankenkassen nicht müde, ihre Kompetenz in Zweifel zu ziehen, Arbeitsverhältnisse zu definieren, die in jeder anderen Branche von Vornherein abgelehnt würden. Gleichzeitig lohnt es sich für Ärzt*innen in diversen Bereichen nicht mehr, einen Eingriff überhaupt noch durchzuführen. Die abrechenbaren Tarife decken den effektiven Aufwand nicht.  Unsere Prämien finanzieren auch die Löhne der Krankenkassen In Spitälern herrscht Personalmangel und zunehmender Stress. Bei den niedergelassenen Ärzt*innen wird frustriert zur Kenntnis genommen, dass zum Beispiel die Beamten des Kan­tons Zürich den vollen Teuerungsausgleich erhalten. Nicht nachgefragt wird, ob die Mitarbei­tenden der über 50 Krankenkas­sen der Schweiz (Österreich hat für dieselbe Anzahl Bewoh­ner drei) auch einen Teuerungsausgleich erhalten. Und wenn Ja warum. Zur Erinne­rung: Mit unseren Krankenkassenprämien finanzieren wir auch die Krankenkassen und deren Personal. Die niedergelassenen Ärzt*innen jedoch haben kein An­recht auf die Kompensation der Teue­rung, obwohl auch bei Ihnen das Material teurer wird, die Miet­kosten der Praxis steigen. Zu­dem bezahlt jeder Praxisarzt seinem Personal selbstredend den Teue­rungs­ausgleich zumin­dest anteilmässig. Begründung für diese Ungerechtigkeit: von Seiten Gesetzgeber: Die Kosten dürfen nicht steigen. Keine Politikerin, kein Politiker protestiert dagegen. Stattdessen werden von der Politik und von den Krankenkassenverbänden einzelne Ausreisser – die gibt es in jeder Branche – als Beweis dafür demonstriert, dass das Einkommen der Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich zu hoch sei. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage unter den Mitgliedern der Schweizerischen Gesellschaft für Handchirurgie SGH beweist den Ernst der Lage und die Tatsache, dass wir tatsächlich auf dem besten Weg sind, das Schweizer Gesundheitswesen an die Wand zu fahren. Nicht nur das, die Wand ist näher als viele denken.  Zu guter Letzt: warum ist das Wort «Kostenexplosion» in Anführungszeichen gesetzt? Weil es sie nicht gibt. Ein Blick in die Historie der Gesundheitsausgabenprognose der KOF der ETH Zürich zeigt: Die Gesamtausgaben entwickeln sich linear. Die Entwicklung wird durch die Löhne und die Alterung unserer Gesellschaft getrieben. Die Entwicklung der Krankenkassenprämien hinge­gen wird durch die Politik beeinflusst. Wir erhalten jetzt die Quittung dafür, dass während der Pandemie die Prä­mien nicht erhöht werden durften. Und wir bezahlen mehr Leistungen über die Prämien, weil nach Möglichkeit Eingriffe ambulant statt stationär erfolgen müssen. Bei einem ambulanten Eingriff bezahlt die Krankenkasse 100% der Kosten, bei einem stationären Eingriff nur rund die Hälfte. Weiter gibt es weniger Arbeitsunfälle. Ausfälle am Arbeitsplatz sind immer öfter krankheitsbedingt. Entsprechende Kosten gehen zulasten der Krankenversicherung und nicht der Unfallversicherung.  Max Winiger