Das Einkommen sinkt. Die Ansprüche steigen. Die Inflation interessiert niemanden. Einkommensumfrage-Update der Gesellschaft für Handchirurgie bestätigt Trend Im Dezember 2019 startete die Schweizerische Gesellschaft für Handchirurgie SGH ihre Wertschätzungs­kampagne Handfacts. Auslöser waren die wiederholten Behauptungen von Seiten der Politik, wonach Handchirurginnen und Handchirurgen zu viel verdienen. Eine erste anonymisierte Umfrage unter den Mitgliedern zeigte auf, dass dem nicht so ist. Nun liegt das Update für die Jahre 2019 und 2020 vor und bestätigt den Trend: Im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung sinkt das Einkommen bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten weiter. Gleichzeitig werden mehr Leistungen gefordert. Besonders stossend: ein Teuerungsausgleich für die Ärzteschaft mit eigener Praxis interessiert weder die Politik noch die Versicherer.  Zürich, Juni 2022 – Knapp 96'000 Franken im Spitalbereich und gut 158'000 Franken im niedergelassenen Bereich mit eigener Praxis: so viel verdiente ein Mitglied der schweizerischen Gesellschaft für Handchirur­gie 2020 im Durchschnitt mit Leistungen im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung auf Basis einer normalen Arbeitswoche (100% Vollzeitäquivalenz). Die Gesundheitsausgaben in diesem Bereich steuern grundsätz­lich die Höhe der Krankenkassenprämien in der obligatorischen Grundversicherung. Damit bestätigt sich der Trend, den eine erste Umfrage unter den Mitgliedern für die Jahre 2017 und 2018 angedeutet hat: Handchirurginnen und Handchirurgen leisten eine hochspezialisierte Medizin in einem absolut vernünf­tigen Kostenrahmen, erhalten aber immer weniger Geld und sollen laufend mehr unentgeltliche Zusatz­leistungen für Analysen und Reportings erbringen. Die Ergebnisse der Einkommensumfrage widersprechen – einmal mehr – der vor kurzem publizierten neusten Daten des Bundesamtes für Statistik. Im Bereich der Leistungen im Rahmen der obligatorischen Krankenkassenprämien erzielen Handchirurginnen und Handchirurgen keineswegs übermässig hohe Einkom­men. Stattdessen wurden in den letzten Jahren mehrmals die Tarife gesenkt. SGH-Past-Präsident Dr. med. Urs Hug: «Für diverse Kolleginnen und Kollegen mit eigener Praxis lohnt es sich heute faktisch nicht mehr, für Standard-Eingriffe das Skalpell in die Hand zu nehmen. Die anwend­baren Tarife erlauben keine kosten­deckende Abrechnung.» Für Hug ist klar: «Die Tarife der Handchirurginnen und Handchirurgen sind ein Kollateralschaden im permanenten Tarifkürzungskrieg. Das Geschäftsmodell der Handchirurgen mit eigener Praxis hat so keine Zukunft mehr.» Teuerungsausgleich für die Ärzteschaft mit eigener Praxis? Fehlanzeige. Bereits im alten Tarifwerk Tarmed war keine Funktion für einen Teuerungsausgleich eingebaut. Während fast alle anderen Berufsgruppen in der Schweiz einmal jährlich über einen allfälligen Teuerungsausgleich diskutieren können und Lösungen gefunden werden, dominiert bei den Arztkosten der Grundsatz: die Kosten dürfen nicht steigen. Dabei wird weder berücksichtigt, dass aufgrund der Teuerung der Materialeinkauf, die Mietkosten der Praxisräumlichkeiten teurer werden, noch dass die Löhne des Praxispersonals trotz allem an die Teuerung angepasst werden müssen. Aufgrund der geringen Teuerung in der Schweiz wurde das bisher auch nicht gross thematisiert. Aber im gegenwärtigen Umfeld mit steigender Inflation und steigenden Nebenkosten grenzt es an einen Skandal, dass die Leistungserbringer das Thema Teuerungs­aus­gleich nirgends positionieren können. Denn sie sind gefangen in einem veralteten Tarifwerk. Und auch das allfällige Nachfolgewerk Tardoc sieht keine Funktion vor, um den Teuerungsausgleich zu gewährleis­ten. Im Gegenteil: Politik und Versicherer verlangen, dass ein neues Tarifwerk in der ambulanten Medizin kostengünstiger sein muss als das bisherige. Zwar sollen die Tarife im Tarifmodell Tardoc regelmässig überarbeitet werden. Dazu gehört auch die Aktualisierung der dahinterliegenden Kostenmodelle. Aber nur wenn datenbasiert aufgezeigt werden könne, dass die Kosten gestiegen sind, soll die Chance beste­hen, Inflationsentwicklungen zu adaptieren und einfliessen zu lassen. Kenner der komplexen Materie sind jedoch überzeugt, dass die Versicherer als eigentliche Bezahler der Ärzteleistungen einen Teuerungsaus­gleich rundum ablehnen. Es gilt ganz offenbar das Ziel der Politik und der Versicherer, die Ärzteeinkom­men gnadenlos nach unten zu drücken. Gleichzeitig soll aber die Qualität der medizinischen Leistungen, die Effektivität und die Effizienz besser werden. Besonders schmerzhaft für die Ärztinnen und Ärzte mit eigener Praxis: Ihre Kolleginnen und Kollegen im Angestelltenverhältnis in den öffentlichen Spitälern haben in den meisten Fällen die Chance, dass ihre Sätze regelmässig angepasst werden. Nicht unbedingt zulasten der Krankenkassenkosten aber letztlich auch zulasten der Steuerzahler. Denn aus Steuergeldern werden die Spitäler und Personalkosten letztlich finanziert.  Die Falschen stehen am Pranger Wie falsch der Druck auf die Ärzteeinkommen im ambulanten Bereich ist, belegt auch ein Blick in die letzten Gesundheitsausgabenprognose der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, KOF. Die Wachs­tumsbeiträge bei den Leistungserbringern im Bereich der Arztpraxen und ambulanten Zentren waren in den letzten Jahren nur im Pandemiejahr 2021 höher. Dazu kommt: durch die Förderung von ambulanter vor stationärer Behandlung ist es eine logische Konsequenz, dass mehr Leistungen im ambulanten Bereich erbracht werden. Indem gleichzeitig der Druck auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte laufend erhöht, das Einkommen auf jede erdenkliche Art und Weise gedrückt wird, muss insbesondere in komplexen Fachgebieten mit entspre­chend langen Aus- und Fortbildungszeiten die Frage gestellt werden: Wer soll künftig die ambulanten Leistungen erbringen, wenn das unternehmerische Risiko, eine eigene Praxis zu betreiben, zu gross wird? 15 Jahre Aus- und Weiterbildung sind bei den Handchirurgen die Regel Zwei Drittel der rund 190 SGH-Mitglieder arbeiten in ihrer eigenen Praxis, zum Teil mit einem eigenen Operationssaal und entsprechenden Investitionen und Fixkosten. Acht von zehn heute praktizierenden Handchirurginnen und Handchirurgen haben eine über 15 Jahre dauernde Aus- und Weiterbildung absol­viert, bevor sie ihren Beruf ausüben durften. Und Handchirurgie ist seit jeher eine weitgehend ambulante Disziplin: über 70 Prozent aller Eingriffe erfolgen ambulant und somit ohne stationäre Kosten.  Von der Kampagne zur Mehrwert-Plattform Die SGH hat auf den Druck und die Verzerrung der Reputation reagiert und mit www.handfacts.ch eine Informationsplattform für die Öffentlichkeit aufgebaut. Inzwischen wurde die Website mit einer Such­funktion für Praxen und Kliniken mit praktizierenden SGH-Mitgliedern ergänzt. Und die Kampagne hat sich gewandelt. Handfacts ist heute die Mehrwert-Plattform der SGH und will aufzeigen, dass auch im Bereich der Handchirurgie die verzerrende Meinungsbildung und der zunehmende Druck der Politik nicht zielfüh­rend sein kann.  Stattdessen wird die Reputation eines Berufsstandes in Zweifel gezogen. Das stört auch den neuen SGH-Präsidenten, Prof. Dr. med. Maurizio Calcagni, Stellvertretender Klinikleiter, Leitender Arzt Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie um Universitätsspital Zürich USZ: «Die Schweizer Handchirurgie wird im internationalen Vergleich immer wieder gelobt. Unsere Mitglieder sind fachlich bestens qualifiziert. Die Aus- und Fortbil­dung ist nicht nur gewährleistet, sondern wird laufend weiterentwickelt. SGH ist ein Qualitätslabel. Wir werden auf diesem Weg aufzeigen, dass der ewige Druck auf die Tarife nichts bringt, sondern wir den Fokus vermehrt auf den wahren Mehrwert unserer Arbeit legen müssen.»